2.2.04

Zur Negativen Dialektik der Freiheit im Positiven Destillat der Bürgerlichen Konsumgesellschaft - Man denke nach, über den zeitgenössischen Status der Philosophie. Wie wunderlich: einst als Königin aller Wissensbereiche die Erkenntnis an sich untersuchend, nun als nutzlose Reflexion des Bestehenden zur Irrelevanz verkümmert. Es ist als ob die Frage vor allem Fragen - was denn Erkenntnis sei - im modernen Geist sich nicht länger entfalten kann. Vom langen Schatten der Vernunft ins Obskure getrieben, wurde sie im Schein des Zwecks zum mittellosen Artefakt des Vergangenen verdammt. An dunkle Kindheitsgefühle etwa, erinnern die gedanklichen Pfade noch, die man als erwachsener Bürger zu bewandern keine Zeit mehr hat, und dessen wunderbare Aussichten der vom Schein des Zwecks geblendete nicht zu sehen vermag. Dem mystisch anmutenden Gefühl der kindlichen Vertrautheit zum Trotz, nimmt diese Dimension des Gedachten, als ein begrifflich Fremdes, pathologischen Charakter an. Kindisch nennt man die Adoleszenz, dessen gedankliche Freiheit sich noch zu artikulieren vermag. Selbst Nietzsche’s Subjekt war ein Irrer, der den Tod Gottes proklamierend, die neue Freiheit zum Ausdruck brachte.
Man möge jedoch, aufgrund des beschränkten Nutzens jenseits scheinbarer Notwendigkeiten, ein gewisses Verständnis für die Eliminierung der Reflexion und den Vorrang des Zweckhaften aufbringen. Denn in der Welt der Erscheinungen ist es nur allzu leicht, den Unterschied zwischen Gedachtem und Wirklichem undifferenziert zu übersehen. Nur allzu schnell zieht der „gute“ Mensch um seiner bürgerlichen Scham willen, das Bestehende als Inbegriff der Vernunft dem Leben als erkennendes, freies Subjekt vor. Diese Tendenz, die Tatsachen vor das Denken zu stellen ist allgegenwärtig, wohl sogar der philosophische Ursprung allen Unrechts: die Unterwerfung des erkennenden Subjekts vor der Autorität des positiv Gegebenen ist die Basis jeglicher Herrschaft.
Als herrschaftsbezweckende Methode und durch ihre wissenschaftstheoretischen und formal-logischen Grundannahmen, steht der Philosophie des Positiven im Sinne Comte’s, hieraus betrachtet und über hundert Jahre später, gerade noch die Funktion eines Legitimationsgeräts seiner bisweilig aufgestapelten Erkenntnisprodukte zu. Trotz Induktionsproblematik heute als objektive Sozialforschung bekannt, und so die ihr zentrale Zweckrationalität methodisch vertuschend, erzeugt sie den Schein der Ideologie und degradiert die Wirklichkeit zur Utopie. Als Staatsphilosophie erkauft sie sich schliesslich institutionelle Autorität: was nach naturwissenschaftlichem Positivismus als Beherrschung der Natur durch Technologie und Markt im Kapitalismus endete, bereitet nach seiner sozialwissenschaftlichen Integration, als Beherrschung des Menschen durch Ideologie und Konsum, dem Faschismus den Weg.
Wie weit der ideologische Schein die Wirklichkeit schon verklärt hat, liegt an der negativen Philosophie zu beurteilen, die zugleich vom Positiven, als dessen Negativ zwar verdrängt, so jedoch mit kritischem Moment gespeist wurde. Reflexion über die Wirklichkeit kann in der heutigen, positiv abstrahierten Gesellschaft also nur über den Pfad der Kritik erzeugt werden. Als negative Dialektik ist es ihre Aufgabe die Wahrheit mit der Wirklichkeit zu vereinen. Mit der Befreiung des erkennenden Subjekts auf ideologischer und der Aufhebung gesellschaftlichen Unrechts auf tatsächlicher Ebene, ist der Bestimmungsgrund der negativen Dialektik einzig und allein die Liebe zur Freiheit. Frei das Bestehende hinterfragen und den Schein bezweifeln: auch die Negation ist Bestandteil der Wirklichkeit, der dialektische Motor der Totalität, der das Sein im Anspruch auf das Ganze zum Werdenden befreit. Unaufhörlich nach Wahrheit strebend, zeigt sich in der negativen Philosophie der neue Mensch, mit dunklen Zügen das Reich der Freiheit andeutend. Die Tradition des Hegelmarxismus, von Hegel selbst bis zu Adorno, steht also weiterhin zur Appropriation bereit. Relevanz geben kann ihr jedoch nur das revolutionäre Subjekt - das aus dem Schlummer des Erkanntwerdens zur Emanzipation erwachende Individuum, seinem Erkennen sich bewusst, dem erkenntnistheoretischen Faschismus positiver Ideologie misstrauend.
Kaum mehr wunderlich ist sie nun, die scheinbare Irrelevanz philosophischer Praxis und dessen befreiende Kunst der Negation. Denn der kleine Bürger darf und will davon nichts wissen. Irrational wirkt sie, die Totale. Unverständlich ist ihm der künstlerische Akt des Revolutionären. Sprachlich mit moralischem Wert verschmutzt, konnotiert die kritische Negation das Schlechte, das Negative. Angstbefangen und schwitzend flüchtet sich manch ein Ausbrecher, wie ein Tier von Scham und Schuld gejagt, in die Institution zurück. Ja, strebt sogar um Aufnahme ins positive Vakuum des Nihilismus. Immerfort seine Erniedrigung anstrebend, ist die Subordination das einzige woran er sich zu orientieren weiss. Denn Scham und Schuld - sie sind die geistigen Waffen der Unterdrückung. Das vorbürgerliche Subjekt, das im jungen Alter nach kurzem Aufbäumen etwa, intuitiv die Freiheit fühlend, durch die Scham seiner Unausdrückbarkeit in das Bestehende assimiliert wird, ist nach seiner bürgerlichen Entfremdung kaum mehr als eine ästhetisch verwerfliche Projektion vorherrschender Machtverhältnisse. Im Schein materieller Glückseligkeit dem Werbeblock entfliehend, klammert sich der Bürger als Reflexion arbiträrer Tatsachen an seine Unschuld.
Freiheit ist für den Bürger eine Idee des Zwecklosen geworden. Nur noch in konsumwählerischer Hinsicht anwendbar, ist sie als Metapher mittlerweile bedeutungslos: nicht mit nackter Freiheit möchte sich der Bürger beschämen, sondern selbst sich der überflüssigen Produkte der Mächtigen bedienen. Wie Freire schon zur Dialektik des Meisters und Sklaven bemerkte, möchte der Sklave nicht frei sondern selbst Meister sein. Hiermit drückt er trefflich die beidseitige, nur durch positivistischen Fehlschluss ermöglichte Entfremdung aus. Als Unterdrücker und Unterdrückter zugleich, wird dem Bürger in der Freiheitsdialektik durch das Positive der Spiegel entzogen, und er erstarrt als unmittelbare Produktivkraft, als Teil der gesellschaftlichen Fabrik, ohne sich selbst als solches zu begreifen. Sich in der illusorischen Freiheit des Konsums wälzend, mit neuen, immer pragmatischer werdenden institutionellen „ismen“ seine Unschuld waschend (die neoliberale Angeblichkeit des Lächerlichen etwa), sieht er keine Kausalität und wo doch, kein Unrecht zwischen seinem Reichtum, dem noch grösseren Reichtum seines Vorgesetzten oder gar der Armut anderer. Denn dazu müsste er erst seine eigene Unfreiheit erkennen – eine Idee die ihm das positiv Bestehende, als Ausdruck menschlicher Vernunft schlechthin, zu denken unmöglich machen will.

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